Marc Schallmeyer

Digitales Marketing

Single post

Der ROI des Scheiterns

Die Wirtschaftlichkeit des Irrtums

Wie eine gelebte Fehlerkultur Marketingprojekte, Teams und Kampagnenprozesse verbessert

In vielen Marketingabteilungen dominiert nach wie vor ein veraltetes Ideal: Fehler gelten als Zeichen mangelnder Kompetenz. Wer sich irrt, gefährdet Budgets, Karrieren und vermeintlich auch die Markenführung. Doch gerade im Marketing, wo Dynamik, Wandel und technologische Transformation den Takt vorgeben, wird der professionelle Umgang mit Fehlern zur zentralen Ressource. Ob es sich um die Einführung einer Marketing-Cloud, den Rollout einer Customer Data Platforms (CDP), die Umstellung der Mediaplanungsprozesse oder die Entwicklung neuer Kampagnenlogiken handelt.  Fehler sind keine Ausnahme, sondern Bestandteil jeder echten Innovation.

Fehler als Hebel in agilen Marketingprozessen

Gerade im Marketing zeigen sich Fehler oft als Katalysatoren für Verbesserung: Annahmen über Zielgruppen greifen nicht, kanalübergreifende Kampagnen erzielen nicht den erwarteten ROI, das Zusammenspiel zwischen Kreation und Datenlogik funktioniert nicht wie geplant. Eine gelebte Fehlerkultur erlaubt es, diese Abweichungen frühzeitig zu erkennen, systematisch zu reflektieren und daraus valide Learnings für kommende Maßnahmen abzuleiten.

In technologischen Projekten wie der Implementierung einer neuen Campaign Management Plattform oder bei der Integration von DMP- und CDP-Datenstrukturen sind Trial-and-Error-Prozesse integraler Bestandteil. Wer hier Fehler verschweigt oder bagatellisiert, läuft Gefahr, kostspielige Nachjustierungen zu spät vorzunehmen und Folgeprojekte zu blockieren.

Fehlerkultur im Martech-Rollout: Geschwindigkeit durch Klarheit

Die Einführung neuer Marketingtechnologien ist geprägt von komplexer Koordination, sich kontinuierlich ändernden unscharfen Anforderungen und hohen Investitionen. Fehlerkultur bedeutet in diesem Kontext: Raum schaffen für Unsicherheiten, explizite Retrospektiven nach Pilotphasen einplanen und Zwischenergebnisse transparent machen – auch dann, wenn sie nicht den Erwartungen entsprechen.

Erfahrungen aus internationalen Martech-Projekten zeigen, dass Unternehmen mit offener Fehlerkultur signifikant weniger Budgetabweichungen, schnellere Implementierungszyklen und eine höhere Akzeptanz der Nutzer*innen verzeichnen. Statt Eskalationsspiralen entstehen produktive Iterationen – und das Vertrauen zwischen Marketing, IT und externen Partnern wächst.

Mediaprozesse und Kampagnen: Fehler sind Teil der Lernkurve

Auch im operativen Marketingalltag – bei der Planung und Steuerung von Kampagnen, in der Budgetallokation oder der Zielgruppensegmentierung – ist Fehlervermeidung kein realistisches Ziel. Der Algorithmus liefert falsche Daten? Das Targeting greift nicht wie geplant? Der Forecast verfehlt die Realität? Eine Fehlerkultur, die dies als Lernchance versteht, wird zum Motor von Präzision und Performance.

In der Mediaplanung etwa können durch transparente Fehlerauswertung bei Testkampagnen oder A/B-Tests künftig teure Fehlplatzierungen vermieden werden. In der Kreation zeigen sich durch retrospektive Feedbackformate oft tieferliegende Abstimmungsprobleme zwischen Agenturen, internen Stakeholdern und technischen Dienstleistern – Erkenntnisse, die nur sichtbar werden, wenn man bereit ist, Irrtümer systematisch zu reflektieren.

Reporting, Attribution und Performance-Kultur

Zahlreiche Marketingprojekte leiden nicht an der Strategie, sondern an der mangelnden Anschlussfähigkeit von Daten, Tools und Teams. Fehlerkultur wirkt hier als verbindendes Element: Sie erlaubt es, Fehlinterpretationen in Dashboards, technische Versäumnisse bei Trackingstrukturen oder Schwächen in der Attribution offenzulegen, bevor falsche KPIs Unternehmensentscheidungen verzerren.

Vor allem bei der Nutzung von GenAI-Tools zur Content-Erstellung, bei Predictive Modellen zur Kanalallokation oder bei der Automatisierung von CRM-Strecken ist die Fehlertoleranz ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Nur wer aus der Abweichung zwischen Prognose und Realität lernt, kann Relevanz erzeugen.

Stakeholder-Management und Agentursteuerung

Fehlerkultur hat auch eine politische Dimension: Sie schafft psychologische Sicherheit in Multi-Stakeholder-Projekten. In Marketingprojekten, an denen IT, Datenschutz, externe Agenturen und Media-Dienstleister beteiligt sind, kommt es zwangsläufig zu Friktionen. Eine offene Fehlerkommunikation sorgt dafür, dass Verantwortlichkeiten nicht diffundieren, sondern lösungsorientiert kanalisiert werden.

Projekte, die auf einem klar dokumentierten Fehlermanagement basieren, erzielen nicht nur höhere Umsetzungsqualität, sondern stärken das Vertrauen zwischen allen Beteiligten – ein nicht zu unterschätzender Faktor in einem zunehmend komplexen und schnelllebigen Marktumfeld.

Resilienz und Innovationskraft im Marketing stärken

Organisationen, die Fehler als Investition und nicht als Belastung begreifen, verbessern ihre Innovationskraft. Gerade in datengetriebenen Marketingfeldern, wo die Halbwertszeit von Technologien und Formaten sinkt, ist Anpassungsfähigkeit überlebenswichtig. Fehlerkultur wirkt hier wie ein Frühwarnsystem: Sie fördert die Bereitschaft zur Korrektur, beschleunigt Entscheidungsprozesse und schützt vor Reputationsschäden.

Tools wie Jira, Confluence oder Asana können genutzt werden, um Fehlermeldungen systematisch zu erfassen, Learnings zu dokumentieren und Prozessanpassungen transparent zu machen – als Baustein einer agilen Marketingorganisation.

Führung im Marketing: Vom Entscheider zum Lernarchitekten

Gerade CMOs und Marketingleiterinnen sind gefordert, Fehlerkultur aktiv vorzuleben. Das bedeutet: eigene Irrtümer transparent zu machen, Raum für Kritik zu schaffen und Mitarbeiterinnen dazu zu ermutigen, Annahmen zu hinterfragen. Führung im Marketing heißt heute nicht mehr, die perfekte Strategie zu präsentieren, sondern Lernprozesse zu orchestrieren.

Fehlerfreundliche Teams sind leistungsfähiger, weil sie schneller experimentieren, häufiger validieren und gezielter optimieren. In Zeiten von Echtzeitkommunikation, Datengetriebenheit und wachsender MarTech-Komplexität wird dies zum entscheidenden Erfolgsfaktor.

Der wirtschaftliche Wert des Marketingfehlers

Fehlerkultur ist kein weiches Thema, sondern ein harter Effizienz- und Innovationsfaktor im modernen Marketing. Sie senkt Projektkosten, reduziert Kampagnenrisiken, erhöht die Datenqualität, verbessert das Stakeholdermanagement und stärkt das Vertrauen in die Marke. Wer Fehler systematisch sichtbar und nutzbar macht, generiert echten monetären Mehrwert.

CMOs und CEOs sollten daher nicht fragen, wie sie Fehler verhindern – sondern wie sie daraus systematisch Wert schaffen. Ob im CDP-Rollout, bei der Einführung neuer Mediaprozesse oder in der datengetriebenen Personalisierung: Der kalkulierte Irrtum ist ein strategischer Rohstoff – vorausgesetzt, man weiß, wie man ihn erschließt.