Marc Schallmeyer

Digitales Marketing

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Composable Intelligence – Die Zukunft der KI ist ein Baukasten

Die Digitalisierung hat aus dem Unternehmen längst kein technisch starres Gebilde gemacht, sondern ein ständig  lernendes und optimierendes. Daten fließen in Echtzeit, Entscheidungen entstehen unter Bedingungen, die sich stündlich verschieben, Märkte und Konsumenten reagieren mit einer Sensibilität, die früher nur aus der Finanzwelt bekannt war.

In dieser neuen Logik verliert die Idee vom  unzertrennbaren festen KI-System ihre Strahlkraft. Die Zukunft liegt nicht in der allwissenden Maschine, sondern in einem modularen Gefüge:

Composable Intelligence.

Der Begriff steht für eine Architektur, in der künstliche Intelligenz nicht als geschlossener Block bereitsteht, sondern als Ensemble spezialisierter Modelle, Services und Agenten. Während klassische Systeme Zentralität und Kontrolle versprechen, setzt Composable Intelligence auf Austauschbarkeit, Leichtgewicht, Skalierbarkeit.

Ähnlich wie moderne Commerce- oder Martech-Plattformen – von CDPs bis zu Experience-Layern  verschiebt sich das Paradigma von der Produkt- zur Architekturentscheidung.

Der Treiber dieser Entwicklung ist die zunehmende Erkenntnis, dass Unternehmen nicht an der KI scheitern, sondern an der Inflexibilität ihrer eigenen Strukturen. Ein statisches System kann die Halbwertszeit von Modellen, regulatorische Anforderungen oder die Notwendigkeit sauberer Trainingsdaten kaum verkraften. Die operative Realität verlangt stattdessen nach einem Gefüge, das neue Modelle integrieren kann, ohne alte abzuschaffen. Nach Mechanismen, die Datenqualitäten aus CDPs, ID-Graphen oder Zero-Party-Profilen zusammenführen, ohne den Datenschutz zu verletzen. Und nach agilen Operating Models, die aus Datenstrom und Entscheidungsraum einen produktiven Kreislauf bauen.

Composable Intelligence folgt daher einem klaren Prinzip: Entscheidungsfähigkeit wird verteilt, nicht zentralisiert. Ein KI-Agent analysiert Transaktionsverläufe, ein zweiter optimiert Produktempfehlungen, ein dritter bewertet Fraud-Signale in Echtzeit. Der vierte orchestriert alle, während der fünfte überwacht, ob die verwendeten Merkmale DSGVO-konform verarbeitet werden. So entsteht eine Architektur, in der Spezialisierung kein Nachteil, sondern eine Bedingung für Stabilität ist – technologisch wie organisatorisch.

Diese Entwicklung verändert den Blick auf Governance. Wo KI monolithisch gedacht war, blieb die Dokumentation vage. Wo KI composable wird, benötigt jedes Modell ein eigenes Regelwerk:

Herkunft der Trainingsdaten, Zweckbindung, technische Maßnahmen zur Pseudonymisierung, Zugriffspfade, auditierbare Löschung. Die europäischen Datenschutzbehörden, die in ihren Leitlinien von 2025 Schutzmechanismen für pseudonymisierte Daten erneut präzisiert haben, stützen und fordern dieses Modell indirekt. Je granularer die Einheiten, desto leichter sind Verantwortlichkeiten, Löschfristen, Risikobewertungen und Data-Lineage-Analysen zu ordnen.

Für Marketing, Vertrieb und Produktentwicklung öffnet dieser Baukasten eine strategische Chance. Statt Millionenbudgets in große und schwere Integrationsprojekte zu binden, entstehen Systeme, in denen KI-Funktionen ähnlich einfach hinzugefügt oder ausgetauscht werden wie heute ein neuer Kanal, ein Tag oder ein Customer-Journey-Baustein. Martech-Ökosysteme oder Loyalty-Plattformen profitieren davon, weil sie sich über APIs in dieses Gefüge einfügen können — nicht als alleinstehende Plattform, sondern als Rolle innerhalb eines größeren leistungsfähigeren Ökosystems.

Der entscheidende Wert liegt jedoch in der Fähigkeit, Aufmerksamkeit zu präzisieren. Wo der Markt immer schneller mutiert, wird der Wettbewerb um Relevanz zur Frage der Architektur. Nur wer in der Lage ist, Datenströme, Zielgruppenprofile, Experience-Signale und Wertbeiträge modular auszuwerten, kann Aufmerksamkeit erzeugen, die nicht zufällig entsteht, sondern begründet ist. Genau hier schlägt Composable Intelligence die Brücke zu deiner bisherigen Argumentation: von der Customer Centricity über Zero-Party-Daten bis zur Architektur der Aufmerksamkeit. Die Energie folgt der Struktur — und die Struktur folgt der Fähigkeit, sich selbst zu erneuern.

Composable Intelligence macht Organisationen nicht nur schneller, sondern widerstandsfähiger.

Sie schafft ein System, das Fehler isoliert, Modelle austauscht, Datenqualitäten bewertet und regulatorische Anforderungen ohne Stillstand erfüllt.

So entsteht eine neue Form technologischer Souveränität:

  • nicht durch Größe, sondern durch Beweglichkeit 
  • nicht durch ein einziges Modell, sondern durch viele
  • nicht durch Kontrolle, sondern durch Zusammenspiel
  • nicht durch zentrale Systeme, sondern durch modulare Dienste
  • nicht durch starre Prozesse, sondern durch lernende Architekturen